Debatte: Indexierung des Kindergelds für EU-Ausländer*innen
PRESSEMITTEILUNG – Brüssel, 21. März 2018
Terry Reintke, sozialpolitische Sprecherin der Grünen/EFA im Europaparlament, hat sich bereits in der Vergangenheit deutlich gegen eine Indexierung des Kindergelds für EU-Ausländer ausgesprochen. Terry Reintke begleitet das Thema für die Europagruppe der Grünen.
„Das populistische Gepolter der AfD ist vor allem eins: hetzerisch. Die Kommission hat erst im letzten Jahr vorgerechnet, dass die entstehenden Verwaltungskosten in keinerlei sinnvollem Verhältnis zu möglichen Einsparungen stehen würden. Zudem stellt sich die Frage, wie weit eine solche Anpassung reichen soll. Bekommt in Zukunft das brandenburgische Kind weniger als das Kind, das in Baden-Württemberg aufwächst?“
Hintergrund:
Wer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, erhält Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz. Die Berechtigten leben und arbeiten in Deutschland und haben daher Anspruch auf das Kindergeld – egal, wo ihre Kinder leben. Dies gilt gleichermaßen für Deutsche wie für andere EU-Bürger*innen, denn kein Kind darf weniger wert sein als ein anderes.
Bei der Diskussion über eine Indexierung des Kindergelds ist die Berechnungsgrundlage völlig ungeklärt (siehe unten). Zudem würde eine solche Indexierung ein extrem hohes Maß an zusätzlichem bürokratischen Aufwand bedeuten, während die Einsparungen für Deutschland geringer als 0,1 Prozent der jährlichen Kindergeldausgaben wären.
Zur Vereinbarkeit mit EU-Recht
Gegenwärtig würde eine Indexierung des Kindergelds gegen bestehendes EU-Recht verstoßen. Die EU-Kommission hat im Dezember 2016 in ihrem Vorschlag über eine Revision der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – entgegen der Forderungen einiger Mitgliedstaaten (Deutschland, Irland, Dänemark, Österreich) – explizit kein System der Indexierung von Kindergeldleistungen vorgelegt. Die EU-Sozialkommissarin Thyssen begründet dies mit einem dafür notwendigen immensen Verwaltungsaufwand, dessen Kosten den beabsichtigten Nutzen bei weitem übersteigen würde.
Konsequenzen aus einer Anpassung des Kindergelds
Würde ein solches System der Indexierung von Kindergeldleistungen umgesetzt und konsequent angewandt werden, so würde dies bedeuten, dass Eltern, deren Kinder in Rumänien leben, weniger Kindergeld bekommen würden, aber Eltern, deren Kinder in Schweden leben, mehr Kindergeld bekommen müssten.
Ein Staat, in dem die Steuereinnahmen durch die Arbeitnehmer*innen relativ niedrig sind, wird sich vermutlich dagegen wehren, ein höheres Kindergeld an Eltern zu zahlen, deren Kinder in einem Land leben, in dem die Sozialleistungen höher sind.
Grundlage für eine solche Indexierung des Kindergelds
Bei der oft populistischen Debatte bleiben viele Fragen völlig unbeantwortet, die die praktische Umsetzung einer Indexierung äußerst schwierig machen.
Soll die Berechnung gemäß der durchschnittlichen nationalen Lebenserhaltungskosten erfolgen? Wie soll im Falle von enormen regionalen Unterschieden oder extremen Stand-Land-Gefällen umgegangen werden?
Oder sollte die Berechnung entsprechend der Sozialleistungen im Wohnsitzland der Kinder vorgenommen werden? Wenn ja, welche Sozialleistungen wären vergleichbar mit dem deutschen Kindergeld?
Was passiert, wenn die Kinder derselben Familie in unterschiedlichen Ländern leben? Muss für jedes Kind ein anderer Betrag berechnet werden? Wie kann dies dann mit der Staffelung der Kindergeldbeträge für das 1. und 2. sowie das 3. und 4. Kind zusammengebracht werden?
Welcher Staat würde die Berechnung anstellen? Deutschland oder das betreffende andere Land? Oder sollte die Berechnung auf EU-Ebene erfolgen?