Erste Eindrücke aus Montenegro
Traumhafte Landschaften, viel Hoffnung, wundervolle politische Aktivist*innen, Korruption, nicht-nachhaltige Großprojekte, Nationalismus und Homophobie: Dafür, dass ich nur drei Tage in Montenegro war, habe ich viele Eindrücke mitgenommen.
Korruption – Das Thema Nummer 1
Korruption – sowohl politisch als auch ökonomisch – ist das Thema, wenn man mit politischen Beobachter*innen, aber auch Politiker*innen selbst in Montenegro spricht. Premierminister Milo Đukanović, dessen sozialistische Partei DPS seit 25 Jahren an der Macht ist, wird seit Jahren beschuldigt, ein enges Netz aus Freund*innen und Unterstützer*innen geflochten zu haben, das Montenegro fest in der Hand hält. Zu dieser politischen und ökonomischen Elite, die die Zukunft des Landes bestimmen, gehören Geschäftsleute, Investor*innen, Politiker*innen, aber auch Richter*innen, Angestellte der öffentlichen Verwaltung wie Polizei oder soziale Institutionen und andere Entscheidungsträger*innen. Die Macht dieses Netzwerk hat sich immer wieder in verschiedensten politischen Bereichen gezeigt.
Derzeitig ist es eine Salzfabrik in Ulcinj, die Saline, die für viel Kritik sorgt: Aufgrund minimaler Schulden vor einigen Jahren für 400.000 Euro privatisiert, soll auf dem Land, das ein einzigartiges Vogelreservat und gleichzeitig Arbeitgeber von vielen der albanisch sprechenden Einwohner*innen Ulcinjs ist, nun eine Hotelanlage gebaut werden. Die ersten Angebote, die der angebliche Besitzer, ein Investitionsfond, veröffentlicht hat, beginnen bei 150 Millionen Euro. Aber die Menschen wehren sich. Bei unserem Besuch in der Saline haben sowohl Gewerkschaften, Umweltorganisationen, der Bürgermeister von Ulcinj, Anti-Korruptions-NGOs als auch die Bürger*innen der Stadt sehr klar gemacht, dass sie nicht akzeptieren, dass sich private Investor*innen auf Kosten der Menschen, der Umwelt und der Rechtsstaatlichkeit bereichern.
LGTBQ – Noch ein langer Weg
„Ich hab‘ ja nichts gegen Schwule, aber wieso müssen die ständig über ihre Sexualität sprechen?“, sagt mir ein Journalist, als er mich mit einem montenegrinischen Freund und LGTBQ-Aktivisten sieht. Ja, eigentlich will niemand ständig über seine Sexualität reden, aber in Montenegro ist es bitter nötig, Tabus zu brechen. Homophobie ist nach wie vor weit verbreitet und Menschen, die sich outen, müssen mit schwerwiegender Diskriminierung rechnen – bis hin zu tätlichen Angriffen. Nur einen Abend vor dem Gespräch mit dem Journalisten war ich davon selbst betroffen.
Als ich mit Stevan, einem Freund und landbekannten LGTBQ-Aktivisten, sowie einer weiteren Freundin in einem Restaurant essen war, wurden wir plötzlich von einigen jungen Männern, die uns von draußen aus beobachtet hatten, verbal angegriffen: Die Männer begannen ohne ersichtlichen Grund, uns zu beschimpfen und zu bedrohen. Als wir sie fotografierten, um später rechtlich gegen sie vorgehen zu können, fingen sie an, Essen und Getränke gegen die Fensterscheibe zu werfen. Wir riefen die Polizei und mussten nicht lange warten, bis fünf Beamte kamen und uns halfen. Nur einen Tag nach dem Angriff hat die Polizei die Ermittlungen aufgenommen und zwei Verdächtige festgenommen.
Es bleibt viel zu tun in dem kleinen Land im Westen des Balkans, aber es gibt eben auch Fortschritte. Hoffentlich folgen viele Reisen nach Montenegro, um positive Entwicklungen, die Zivilgesellschaft und progressive politische Kräfte im Lande begleiten und unterstützen zu können.