19. August 2015

Lieber Papst, dieser Tag gehört uns!

Heute war der Papst im Europäischen Parlament. Heute ist der 25. November. Heute ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen.

Ein schlechteres Datum für den Besuch des Papstes hätte es nicht geben können. Denn obwohl dieser Papst – im Gegensatz zu seinem Vorgänger – immer wieder als progressiv und offen für Veränderung der Kirche dargestellt wird, hat er den heutigen Tag genutzt, um Frauen in ihrer Selbstbestimmung einzuschränken und Abtreibung zu verurteilen.

Jährlich finden laut UN-Schätzungen 19-20 Millionen unsichere, illegale Abtreibungen auf der Welt statt. Dabei sterben jedes Jahr mindestens 68.000 Frauen. In vielen Ländern auf der Welt haben Frauen nach wie vor keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Situation könnte sich schnell ändern und damit viel Leiden gestoppt werden.

Stattdessen kämpft die katholische Kirche, und offensichtlich allen voran der Papst, weiter für der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und gegen körperliche Selbstbestimmung von Frauen.

Kaum drastischer hätten die Worte des Papstes zu dem Thema sein können: Frauen, die abtreiben, “töten ihre ungeborenen Kinder”. Zu Beginn seiner Rede hatte der Papst die menschliche Würde in den Mittelpunkt gestellt. Gerade heute wäre der Anlass gegeben, über die Würde von Frauen zu sprechen.

Der Papst hätte fragen können: Warum haben diese 20 Millionen Frauen, die trotz des Verbots von Abtreibung, trotz drohender, teils harter Strafen “ihr ungeborenes Kind getötet” haben, keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen bekommen? Warum hatten sie keinen Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten, vielfach keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, keinen Zugang zu Familienplanung? Das hat Papst Franziskus nicht getan. Er hat sie stattdessen angeklagt und verurteilt. Mich macht das wütend!

Franziskus steht für den Kampf gegen Armut und Hunger. Er setzt sich für die Achtung der Menschenrechte und eine würdige Flüchtlingspolitik ein. Er hat ein Ohr für Umweltzerstörung und Klimawandel. Heute aber, bei Franziskus Rede im Europäischen Parlament, musste ich den Saal verlassen, als er ein vernichtendes, moralisches Urteil über eine Lebenssituation getroffen hat, in der er selber niemals sein wird.

Und das an einem Tag, an dem er so einen großen Unterschied machen könnte. Einen großen Unterschied im Leben der 20 Millionen Frauen, die von unsicheren Abtreibungen betroffen sind, und schlussendlich im Leben von allen Frauen weltweit.

Heute – am Tag gegen Gewalt an Frauen – hätte der Papst einen Schritt gehen können. Er hat es nicht getan. Doch hatte er auch recht in seiner Rede. Er sprach von Hoffnung. Und nach heute, habe auch ich immer noch Hoffnung: Denn unmittelbar nach seiner Rede haben die EU-Parlamentarier*innen eine Resolution abgestimmt, in der sie sich für den Zugang von Frauen zu sexuellen und reproduktiven Rechten weltweit stark machen.

Unser Kampf für Selbstbestimmung geht weiter!