19. August 2015

Mutterschutzrichtlinie retten!

Seit fast fünf Jahren hängt die Mutterschutzrichtlinie nun schon im Rat der EU fest. Die Juncker-Kommission hat angekündigt, den Gesetzesvorschlag im Sommer zurückzuziehen, wenn sich kein Fortschritt abzeichnet. Bisher haben sich die Regierungschef*innen davon reichlich unbeeindruckt gezeigt: Es wird weiter abgewartet und man hofft auf die Rücknahme des Vorschlags. Mit einer deutlichen Mehrheit hat sich das Europäische Parlament diese Woche dafür ausgesprochen, dass endlich Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament aufgenommen werden.

Kurz nach Amtsantritt der EU-Kommission im vergangenen Herbst, hat Kommissionspräsident Juncker die Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie angekündigt. Ziel der Gesetzesvorlage ist ein bessere Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen und die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs. Seit fast fünf Jahren blockieren die Mitgliedsstaaten die Richtlinie nun schon im Rat. Auch die deutsche Bundesregierung lehnt trotz SPD-geführtem Familienministeriums die Neuregelung im Bereich Mutterschutz ab. Als Grüne setzen wir uns dafür ein, dass endlich Bewegung in die Verhandlungen kommt. Das Parlament hat sich wiederholt kompromissbereit gezeigt.

Heute hat das Europäische Parlament die Aufforderung an den Rat, endlich Position zu beziehen und somit Verhandlungen möglich zu machen mit einer breiten Mehrheit unterstützt. Dass ausgerechnet die Mutterschutzrichtlinie unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus zurückgezogen werden soll, ist symptomatisch für die Sozial- und Frauenpolitik der EU. Das zeigt deutlich, wie wenig den Regierungen eine fortschrittliche Sozial- und Frauenpolitik wert ist. Einmal mehr wird argumentiert, dass eine gerechtere und sozialverträgliche Politik zu teuer sei. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Mütter 100% ihres vorherigen Gehalts für den Zeitraum des Mutterschutzes erstattet bekommen.

Die Rücknahme der Richtlinie ist ein klarer Angriff auf ein soziales Europa ist. Zudem hat die Kommission bisher keinerlei konkrete Gesetzesvorhaben im sozialpolitischen Bereich für die kommenden fünf Jahre angekündigt. Fest steht auch, dass eine Rücknahme ein verheerendes Signal für den demokratischen Prozess zwischen den EU-Institutionen wäre. Obwohl ein konstruktiver Vorschlag des EU-Parlaments auf dem Tisch liegt, blockieren die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten und werden für ihre Blockade mit dem Rückzug der Richtlinie belohnt. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus wird so die einzig direkt gewählte Institution der EU ausgebootet.

Hintergrund:

Derzeit gibt es innerhalb der EU einen Mindeststandard von 14 Wochen Mutterschutz (Für Vaterschutzurlaub bestehen bisher keine europäischen Regelungen). 2008 hatte die Kommission eine Novellierung dieser Regelung vorgelegt. Diese sieht 18 Wochen Mutterschutz vor (davon vier Wochen verpflichtend vor und/oder nach der Geburt). Grund für die Neuregelung war auch die Empfehlung der ILO, die die derzeitige Gesetzgebung als unzureichend eingestuft hat. Das Europäische Parlament hat sich 2012 auf der Grundlage des Kommissionsvorschlags für 20 Wochen Mutterschutz ausgesprochen, sowie die Einführung von zwei Wochen Vaterschaftsurlaub gefordert.

Derzeit haben 25 Mitgliedsstaaten mehr als 14 Wochen Mutterschutz (SE und DE haben genau 14 Wochen), 13 Mitgliedsstaaten (SE, DE, SI, BE, ES, NL, LU, LV, FR, AT, PT, FI) haben Regelungen unter 18 Wochen. 12 Mitgliedsstaaten (SE, LV, FI, RO, MT, CY, IT, Hu, HR, SK, IE, UK) erstatten weniger als 100% des vorherigen Gehalts während des Mutterschutzes zurück.