29. September 2017

Rückblick: Fachgespräch zur Revision der Entsenderichtlinie in Berlin

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Verhandlungen über die Revision der Entsenderichtlinie im Europäischen Parlament lud Terry Reintke am 18. September 2017 zu einem Fachgespräch nach Berlin ein, um den Stand der Verhandlungen aus Brüssel nach Deutschland zu holen. Auf dem Podium diskutierten:

  • Terry Reintke, Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen und Schattenberichterstatterin für die Revision der Entsenderichtlinie
  • Annelie Buntenbach, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes
  • Ruxandra Empen, Beraterin im Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte (Arbeit und Leben e.V. DGB/VHS)
  • Prof. Dr. Anke Hassel, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung

Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte der Diskussion dargestellt werden, in die auch Redebeiträge aus dem Publikum eingeflossen sind.

 

Aktuelle Herausforderungen

Als besondere Herausforderung wurde von allen Podiumsteilnehmerinnen die Rechtsdurchsetzung genannt, die vor allem durch Subunternehmerketten, Kettenentsendungen sowie Schlupflöcher für kriminelle Geschäftsmodelle erschwert wird. In der Beratungspraxis sind vor allem für Beschäftigte im Niedriglohnsektor Fragen zu Entlohnung, geltenden Zuschläge und spezifischen Lohnbestandteile entscheidend. Außerdem muss festgestellt erwähnt werden, dass es nach wie vor eine schlechte Datenlage und keinerlei verlässliche Zahlen über Entsendeaktivitäten gibt, weshalb Missbräuche der Entsenderichtlinie vor allem durch die Aufdeckung großer Skandale durch die Medien an die Öffentlichkeit gelangen.

 

Forderungen

Es bestand Einigkeit in der Frage, dass die Entsenderichtlinie in erster Linie verbessert werden muss, um das Schutzniveau von Entsandten zu erhöhen. Dies muss jedoch mit verstärkten Kontrollen und Sanktionen bei Missbräuchen sowie mit einer besseren internationalen Zusammenarbeit einhergehen. Darüber hinaus muss die Datenerhebung für statistische Zwecke verbessert werden, um ein besseres Bild über die reale Situation zu bekommen. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist insbesondere die Generalunternehmerhaftung absolut notwendig und zugleich das wichtigste Instrument zur Durchsetzung gleicher Standards bei Subunternehmen. Außerdem sollte ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften geschaffen werden, um bei Verletzungen der Entsenderichtlinie juristische Verfahren einleiten zu können.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Die Revision der Entsenderichtlinie sollte in die Frage nach einer sozialeren Ausgestaltung der Europäischen Union eingebettet werden. Dabei spielt auch die Frage der politischen Erzählung von sozialer Gerechtigkeit eine wichtige Rolle, wobei gleichzeitig auch antieuropäischen Ressentiments die Stirn geboten werden muss. Hierbei sollten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände kooperieren, um gemeinsame Lösungen zu finden. Daneben ist es sinnvoll, die Frage der Revision der Entsenderichtlinie mit praktischen Beispielen zu verbinden, damit das Thema von der technischen Ebene in den Alltag gehoben wird.

In der Diskussion wurde aber auch angemerkt, dass es Macron anscheinend gelingt, mehr Öffentlichkeit für die Revision der Richtlinie in Frankreich und Osteuropa zu erzeugen: In Frankreich wird das Thema seit langem breit debattiert, während es in Deutschland bisher nicht in die Öffentlichkeit gerückt ist. Deshalb könnte die Dynamik um Macron genutzt werden, um das Thema auch hier in die öffentliche Debatte zu tragen.

 

Fazit

Letztlich war die einhellige Meinung, dass die Berichterstattung über Einzelfälle durch die Medien bei jeglicher Form von Rechtsverstößen und Fällen von Ausbeutung stets am meisten gebracht und am ehesten zu Verhaltens- und Gesetzesänderungen geführt hat. Deshalb sollte investigativer Journalismus in diese Richtung unterstützt und die Berichterstattung über Einzelfälle fortgesetzt werden, um Fälle von Ausbeutung ans Tageslicht zu bringen. Gleichzeitig müssen aber auch Gespräche mit Abgeordneten geführt werden, um politische Forderungen für die Verbesserung der Situation von Entsandten individuell zu vermitteln.